Terry Buchholz
Mit Stoffen malen – Anmerkungen zu der Serie
„40 Kerzen (eine nach der anderen)“
Für die Objektfixierung auf Textilien, die
Der bildhafte Titel„40 Candles – 40 Kerzen,“ den
Der Auftakt der Serie, der Fries „Montag“, zeigt vier unterschiedlich gemusterte Felder, die seitlich von zwei rosa Quadratfeldern eingefasst werden. Diese wirken als optische Klammer für das auf den vier inneren Feldern entfaltete spannungsvolle Spektakel aus aufeinandertreffenden, einander widerstrebenden Farben und Formen. Das sanfte und doch intensive Rosa der seitlichen Quadrate fungiert als eine Art Mittelton für das in diesem ersten Fries entfaltete Farbspektrum. Von diesem Grundton, der auf zwei Feldern wiederkehrt, die mit duftigen Blumenmotiven gemustert sind, heben sich andere, lautere Farbtöne ab, die mit dem Rosa und untereinander kommunizieren. Die Farben des Frieses werden über die Stoffmuster wahrgenommen. Deren ornamentale Ordnung verweist unmittelbar auf das Medium des Textils. So ruft das strenge Karomuster des zweiten Farbfeldes mit seiner Palette, die von Weiß, Gelb, zu Türkis und Grünen bis hin zu Weinrot und Dunkelrot reicht, die Assoziation an ein Geschirrtuch hervor. Doch der glatt aufgespannte Stoff und das Eingebundensein des Feldes in die strenge Ordnung des Frieses neutralisieren dieser Eindruck sogleich wieder. Die bildhafte Wirkung der Stoffe, die auf flache Träger aufgezogen und zu einer Komposition vereinigt sind, überwiegt. Schließen die beiden Felder mit den Blumenmustern harmonisch an die als Fond fungierenden, rosa Platten an, so bildet das vierte Feld von links den eigentlichen Höhepunkt des Frieses. Mit breiten schwarz-gelben Querstreifen versehen, liegt es rechts von der Mitte des Frieses. Auf den ersten Blick scheint es in die Komposition aus Rosa, Türkis- und Grüntönen „einfach nicht hineinzupassen“. Die schwarz-gelben Streifen drängen sich aufgrund ihrer strukturellen Klarheit nach vorn. Sie verleihen dem Fries räumliche Plastizität und Tiefe. Stellenweise scheint zartes Gelb auch in den drei anderen, von den äußeren rosa Quadraten gerahmten Feldern auf. Dieses Aufblitzen von Gelb bindet das dominante gelb-schwarze Feld zurück in den Fries und fördert das fragende Hin- und Herwandern des Betrachterauges. Der Fries offenbart sich dem länger verweilenden Blick als höchst komplexes Gefüge aus Farben, die an Muster gebunden hervortreten, Farben, die sich anziehen und abstoßen und untereinander um den Vorrang im Konzert der Töne zu ringen scheinen. Mit dem „Montag“ ist ein Auftakt geschaffen, der nach der Fortsetzung in „Dienstag“ bis „Freitag“ verlangt.
Zum Video Sonntag:
Das Video „Sonntag“ stellt keine Dokumentation des Werkprozesses dar, sondern eine begleitende Reflexion über die Arbeit „Vierzig Kerzen“. Der filmische Kommentar wird aus einem weichen nuancenreichen Grauton heraus entwickelt, der als die Quintessenz und die Summe aller Farben zu gelten hat. Über mehr als fünf Minuten hinweg werden in langsamer Folge Sequenzen von Spiegelungen gezeigt, die sich in den Fensterscheiben des Ateliers der Künstlerin verfangen haben. Das Auge der Kamera dokumentiert – gleichsam mit ruhigem Blick – die ephemeren Kompositionen, die sich aus den zufällig übereinander gelagerten, auf dem Scheibenglas sich abzeichnenden Bildern des Innen- und Außenraumes der Wohnung der Künstlerin ergeben, die an einem Düsseldorfer Bahnhof und einer verkehrsreichen Straße gelegen ist. Festgehalten wird eine Welt rhythmischer Bewegtheit und des steten Wandels: anfahrende und rasch beschleunigende Züge und S-Bahnen und im Zyklus der Ampeln startende Autos. Das Muster der Pflastersteine, die Markierungen auf den Straßen oder das über den Gleisen von Mast zu Mast ausgespannte Netz von Hochspannungsleitungen geben das ordnende Raster ab. Sie sind Wegmarken auf einer Reise ohne Anfang und Ziel, die sich als beständige Wiederholung des Nicht-Mehr und eines Noch-Nicht beschreiben lässt. Wie die Arbeit „Vierzig Kerzen“ sucht auch das zugehörige Video die Zeit in ihrer Wesenheit als unerbittlich fließenden Mahlstrom, als das unaufhörliche und unaufhaltsame Verrinnen aufeinanderfolgender Augenblicke zu erfassen. In der Form sich überlagernder Reflexe auf dem Fensterglas wird diesem Außen ein Innen gegenübergestellt, das durch Bücherbord, Teekanne, Bügeleisen und Bügelbrett bezeichnet wird. Durch die gespiegelte Silhouette eines vorbeifahrenden Schnellzuges hindurch tastet sich das Kameraauge langsam über einen Berg von gemusterten Stoffen hinweg, der auf dem Bügelbrett lagert. Trotz der beabsichtigten Beiläufigkeit, mit der der Blick über jedes Motiv gleichermaßen hinweg zu gleiten hat, gewinnt das filmische Dokument in dieser Sequenz ein Höchstmaß an farblicher Intensität und graphischer Struktur: Es sind die Ausgangsmaterialien für den „Mittwoch“, die auf dem Brett vorsortiert ihrer Verarbeitung zu harren scheinen. Aus dem Hintergrund schimmert gar ein bunter Stoff aus dem „Montag“ hervor. Die locker gelegten, teils ein wenig geknüllten Textilien, die in strengster Flächigkeit ausgebreitet auf den sechs Friesen der „Vierzig Kerzen“ wiederkehren, dürfen hier in vollem Maße ihren stofflichen Charakter entfalten. Der abstrahierende Prozess der Verwandlung und Umdeutung der Textilien in Malerei hat noch nicht stattgefunden. Anhand der Spiegelungen auf den Fensterscheiben ihrer Wohnung, deren seltsame Erscheinungsweise im Film dokumentiert wird, thematisiert Terry Buchholz das gleichzeitige und parallele Vorhandensein zweier unterschiedlich ausgerichteter Zeitschienen, die eine führt vom Jetzt in die Zukunft, die andere markiert den Weg vom Heute in die Vergangenheit. Im Zentrum steht aber steht das Nachdenken über das Werk.
Juliane von Fircks, Mainz 2011
Texte | 40 Kerzen |